„Das ist Gewalt!“

Über spektakuläre Strafprozesse wird oft und ausgiebig berichtet. Die Bandbreite der Berichterstattung in den Printmedien ist sowohl qualitativ als auch quantitativ sehr groß. Selten wird jedoch versucht, die Realität durchzustellen.  Der Gerichtsalltag in der Strafgerichtsbarkeit ist vielfältiger und sieht jenseits der spektakulären Verfahren anders aus. Manche Prozesse laufen viele Monate, manchmal auch mehrere Jahre. Ein Beispiel ist das seit vielen Jahren größte Wirtschaftsverfahren in Thüringen, der sogenannte ELIOG-Prozess, der bereits seit drei Jahren vor einer Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Mühlhausen verhandelt wird – ein Ende ist noch nicht abzusehen. Auch das ist Gerichtsalltag, aber aus vielen Gründen auch völlig anders. Eine ständige Berichterstattung über diesen Prozess ist uninteressant, jedoch nehmen die Medien und darüber die Öffentlichkeit auch Kenntnis von großen und komplexen Verhandlungen. Große und komplexe Prozesse anschaulich und informativ darzustellen, das ist immer wieder eine große Herausforderung, nicht nur für die schreibende Zunft.

Während das Landgericht Mühlhausen auf Wirtschaftsstrafen spezialisiert ist – die Staatsanwaltschaft Mühlhausen hat die Schwerpunktabteilung Wirtschaftskriminalität – sind es bei den anderen drei Thüringer Landgerichten wiederum andere Schwerpunkte. Diese unterschiedlichen Akzente bei der Gerichtsberichterstattung zu berücksichtigen, ist auch ein Teil der selbstgewählten Themensetzung. Um dann aber auch quantitativ ausgewogen zu berichten, sind es immer wieder die alltäglichen Strafrichter-Verhandlungen, die im Fokus stehen.

Diese Woche Dienstag um neun Uhr im Saal 19 des Amtsgerichts Erfurt: Richter Fischer, mit jugendlichem Esprit, musste auf den Angeklagten warten. Es ist immer wieder erstaunlich, was Menschen, die sich vor einem Strafgericht für ihre Taten verantworten müssen, alles anstellen, um in einem ungünstigen Licht zu erscheinen. Aleksandr L. kam eine Viertelstunde zu spät. Seine Freundin hatte zwar angerufen, die Straßenbahn hätte Verspätung. Das würde ja als Entschuldigung eines Teenagers durchgehen, der mal wieder zu spät zur ersten Schulstunde kommt. Aber ein 48jähriger Angeklagter? Klar, ein Strafprozess ist keine Castingshow. Hier gibt es weder A- noch B-Noten.  Aleksandr L. macht aber von Anfang an einen schlechten Eindruck.

Schon vor seinem Eintreffen kam es zu Gesprächen. Zum Einen zwischen Frau Oberstaatsanwältin Sabine Stahl und dem Richter. Nach der Begrüßung sagte Frau Stahl zu den erheblich jüngeren Richter: „An mich müssen Sie sich nicht gewöhnen, ich gehe im Frühjahr in Pension!“ Zum Anderen zwischen dem Richter, einem älteren Ehepaar – vermutliche Zeugen – und dem Dolmetscher. Der Richter fragte das Ehepaar: „Welche Sprache spricht er?“ Mit „er“ war wohl der Angeklagte gemeint. Die Antwort, in Deutsch, aber mit osteuropäischen Akzent: „Er spricht sehr gut Russisch, weniger gut Aserbaidschanisch.“ Der Richter weiter: „Und Sie, ich muss jetzt mal so fragen, ist Kasachisch eine eigene Sprache?“ – „Nein, die Sprache ist Russisch. Wir sprechen Beide aber sehr gut Deutsch.

Der Angeklagte erscheint in Begleitung seiner Freundin und einem vielleicht 6jährigem Mädchen. Während er sich auf die Anklagebank setzt, nehmen Mutter und Kind in der ersten Zuschauerreihe Platz. Dort nahm auch das Ehepaar Platz. Nachdem die Zeugen belehrt wurden, verließen sie den Verhandlungssaal.

Nun kann es losgehen. Der Angeklagte, 1971 in Baku – der jetzigen Hauptstadt der Republik Aserbaidschan – geboren, wirkt nicht wie Ende Vierzig, sondern wie Ende Fünfzig. Er hat ein schmales, fast spitzes Gesicht, einen aschfahlen Teint und graumeliertes lockiges Haar.

Verhandelt wird eine Tat vom September 2018. Der Angeklagte soll seine ehemalige Lebensgefährtin in einem Streit an den Haaren gezogen, seine Knie gegen ihren Kopf getreten und dann den Kopf vor eine Kommode gestoßen haben, sodass sie im Krankenhaus behandelt werden musste. Dabei soll ihm seine Mutter geholfen haben, indem sie das Opfer an den Händen festhielt.

Wenige Tage später soll der Angeklagte die Eltern seiner damaligen Lebensgefährtin telefonisch erheblich beleidigt und bedroht haben, indem er die Mutter als Pferd und Schaf bezeichnet, und androhte, „sie auszuschlachten“ und ihnen „den Bauch aufzuschlitzen“.

Knapp zwei Wochen später, zwischenzeitlich hatte die Lebensgefährtin eine richterliche Anordnung gemäß Gewaltschutzgesetz erwirkt, dass unter anderem ein Kontaktverbot beinhaltete, hat er gegen diese Anordnung verstoßen. Er hatte die gemeinsamen Kinder in der (vormals) gemeinsamen Wohnung besucht, während die Mutter auf Arbeit war. Im ersten und letzten Fall musste jeweils die hinzu gerufene Polizei einschreiten. Sie hatten in beiden Fällen erhebliche Alkoholbeeinflussung festgestellt.

Auf entsprechende Nachfrage durch das Gericht signalisiert der Angeklagte, zur Sache aussagen zu wollen. Der Dolmetscher übersetzte jeweils die Anklagepunkte, er hörte es sich emotionslos an. Seine Antworten waren zuerst stockende, einsilbig, fast bockig. Er räumte den ersten Anklagepunkt bedingt ein, wobei er bestritt, seine Knie benutzt zu haben. Nach seiner Darstellung war es ein Familienstreit, eine Schubserei. Seine Mutter hatte schlichten wollen, ihn nicht geholfen. Die Oberstaatsanwältin, die während der gesamten Verhandlung sehr laut sprach und mehrfach energisch intervenierte, sprach sich sehr deutlich gegen jede Form von Gewalt aus, insbesondere aber gegen Gewalt, welche sich gegen Frauen in der Familie richtete. Sehr deutlich wendete sie sich gegen die Darstellung von „Familienangelegenheit“ und „nur Streiterei“: „Das ist Gewalt!

Der Angeklagte räumte auch wortkarg die zweite Tat ein, auch hier hatte die Erfurter Staatsanwältin harte Worte: „Das ist nicht nur eine einfache Beleidigung und Bedrohung. Sie haben gedroht, sie wollen sie aufschlitzen und abschlachten. Das ist eine massive Bedrohung, da stirbt ein Mensch, wenn man sowas macht. Haben Sie das gesagt?“ Der Angeklagte: „Ja, kann sein.

Auch die dritte Tat, den Verstoß gegen das Gewaltschutzgesetz, gab er zu, da war aber die Beweislage eindeutig, denn die Polizei war ja vor Ort gerufen worden.

Der Richter fragte, weil der Angeklagte in Begleitung erschien, ob sie wieder zusammen sind. „Ja.“ – so seine Antwort. Erst jetzt wurde klar, dass seine Begleitung das damalige Opfer war und sie jetzt wieder zusammen sind, obwohl sie nicht zusammen wohnen. Die Staatsanwältin wollte wissen: „Kommt es jetzt wieder zu tätlichen Streitereien bei Ihnen?“ Die Antwort war natürlich vorhersehbar: „Nein.“ Frau Stahl weiter: „Haben Sie im Vorfeld über die heutige Verhandlung gesprochen? Hat die Lebensgefährtin gesagt, was sie von Ihnen erwartet?“ Der Angeklagte mit seinem ersten Satz: „Wir wollen sagen, was wirklich war.“

Die Zeugin Olga D. wird aufgerufen, sie betritt den Verhandlungssaal wieder mit der kleinen Tochter. Richter Fischer spricht die Mutter an: „Meinen Sie, dass es für das Kind gut ist, sich das Alles hier mit anzuhören?“ Als Antwort gibt es eine unschlüssige Geste. Die Justizprotokollantin, die ganze Zeit sehr aufmerksam, immer ein Lächeln auf den Lippen: „Wir haben hier die Möglichkeit der Kinderbetreuung in einem Spielzimmer.“ Dies wird angenommen, es gibt eine kleine Unterbrechung, das Mädchen wird freundlich in das Spielzimmer begleitet.

Die 34jährige Zeugin ist wesentlich größer als der Angeklagte, ihre Statur ist, sagen wir mal – recht kräftig. Dazu ist sie noch unvorteilhaft gekleidet. Wenn die Fettpölsterchen zu deutlich an allen Seiten aus der eng anliegenden Kleidung „quellen“, ist der Anblick nicht besonders ästhetisch. Aber auch für Zeugen gibt es keine B-Noten. Routiniert wird sie zu ihren Personalien befragt. Sie ist gelernte Fachkraft im Gastrogewerbe, zurzeit arbeitssuchend. Sie gibt an, mit dem Angeklagten verlobt zu sein. Frau Oberstaatsanwältin Stahl lässt das nicht gelten: „Wir haben Ihren Lebensgefährten nach seinem Familienstand gefragt, er gab an, ledig zu sein. Wenn man verlobt ist, sollte der Partner das wissen.“ Sie antwortet trotzig: „Wir sind aber verlobt, seit dem 25.3.!“ Frau Stahl: „Und wo haben Sie den Ring?“ Die Zeugin unverdrossen: „Ich habe einen, den trage ich nicht, wegen der Arbeit.“ Nach einem weiteren Wortwechsel – natürlich ging es um das ihr als Verlobte zustehende Zeugnisverweigerungsrecht – sagte sie, dass sie aussagen will. Das machte die Frage des Verlobtseins zu einer eher akademischen Frage.

Die Zeugin sagte zur Sache aus, sie sprach Deutsch mit Akzent, sehr schnell, aber undeutlich. Das machte für alle das Zuhören schwer. Sie redete quasi ohne Punkt und Komma. Zusammengefasst schilderte sie den ersten Vorfall aus ihrer Sicht als normale Streiterei. Sie hatte zu dieser Zeit einen stressigen Job und kam zu spät nach Hause. Die Mutter ihres Lebensgefährten – des Angeklagten – war gerade aus Baku zu Besuch. Er machte ihr wegen des Zuspätkommens Vorwürfe, sie reagierte gereizt, er wollte seine Sachen packen, der Streit eskalierte und er hat sie zu Boden gestoßen. Dabei habe sie sich etwas verletzt. Seine Mutter wollte schlichten. Sie hat dann ihre Mutter angerufen, die hinzukam. Richter Fischer unterbrach mehrfach, so fragte er: „Sie hatten doch auch  die Polizei gerufen?“ An Allem gab sie sich wortreich die Schuld, da sie schnell auf 180 wäre. Die Frage mit der Polizei blieb im Raum stehen. Der Richter ermahnte sie: „Hier steht mit falscher Verdächtigung auch eine eigene neue Straftat von Ihnen im Raum!“ Sie blieb bei ihrer Variante, so unglaubwürdig wie sie war, war sie doch nicht zu widerlegen. Zumal sie weiter versicherte, dass es „Ausversehen“ geschah, sie wegen ihrer Impulsivität mit Schuld sei und sie ja jetzt gemeinsam eine Familientherapie machen, um ihre Probleme in den Griff zu kriegen.

Richter Fischer gab einen rechtlichen Hinweis: „Es könne sein, dass statt der angeklagten gefährlichen Körperverletzung es sich nur um eine einfache Körperverletzung handeln könnte.“ Staatsanwältin Stahl ergänzte: „Es könnte sich auch um eine fahrlässige Körperverletzung handeln.“ Auch das nahm der Richter als rechtlichen Hinweis zu Protokoll. Richter Fischer zur Zeugin: „Sie hatten nicht nur die Polizei gerufen, Anzeige erstattet und einen Strafantrag gestellt, sondern auch eine eidesstattliche Versicherung abgegeben. Die ist dann auch falsch. Das ist eine eigenständige schwere Straftat!“ Die Zeugin: „Ja, ich weiß.

Zu dem Verstoß gegen das Gewaltschutzgesetz stimmten ihre Aussagen mit der Anklage überein. Da gab es aber auch nichts „zurechtzubiegen“. Zu den Trinkgewohnheiten ihres Lebensgefährten gefragt, antwortete sie bemerkenswert: „Wie jeder normale Deutsche so.“ Das wollte der Richter nicht stehen lassen: „Wie viel trinkt denn der ‚normale Deutsche‘?“ Die Antwort musste verblüffen: „Ein Bier am Abends, vielleicht zwei, kein Schnaps.

Zu der Beleidigung und Bedrohung gegen ihre Eltern konnte sie wenig aussagen, sie war nicht dabei, aber, so die Zeugin weiter „Sowas sagt er öfter“. Da ging es mit der Staatsanwältin durch: „Was, er droht öfter damit, Leute umzubringen?“ Die Zeugin murmelte vor sich hin, sowas mache er nun manchmal, auf Russisch flucht er eben so. Weiter behauptet sie, die Familientherapeutin habe ihr geraten, den Kontakt zu ihren Eltern zu reduzieren, da diese zwischen ihr und den Lebensgefährten stehen…

Als Nächstes wurde die 65jährige Zeuge Ekaterina D. gehört, sie ist die Mutter des „Opfers“ im ersten Fall und selbst geschädigt durch die Beleidigung und Bedrohung. Wortreich und sehr schnell auf Deutsch und ebenfalls ohne Punkt und Komma schilderte sie die achtjährige Beziehung ihrer Tochter Olga zum Angeklagten. Sie war von Anfang an dagegen („Das ist kein Mann für Dich.“). Es gab oft Streit zwischen den Beiden, er hätte sie häufig geschlagen. Sie haben zwei gemeinsame Kinder, jedoch der 11jährige Sohn ihrer Tochter – aus einer früheren Beziehung – wurde von dem Aleksandr L. nicht anerkannt, hatte viel zu Leiden. Jetzt lebt ihr Enkelsohn bei ihnen. Sie schildert, dass sie in Kasachstan 30 Jahre als Lehrerin gearbeitet hat, in Deutschland aber seit siebzehn Jahren in einem Altenheim arbeitet. Ihre Schilderungen sind authentisch und glaubhaft, geben ein lebhaftes Bild einer schwierigen Beziehung mit einem zur Gewalt neigenden Mann ab, wie es leider zu oft vor Gericht verhandelt werden muss. Gleichzeitig wird aber auch das oft typische Bild der abhängigen und bei Entscheidungen schwankenden Frau deutlich, wie es in solchen Gewaltsituation aus den verschiedenen Gründen viel zu oft vorkommt.

Jedoch, die Tochter Olga hat Vieles nach der Tat so gemacht, wie es geraten wird – es hat aber, aus welchen Gründen immer – nicht lange gehalten. Gerade das versteht ihre Mutter nicht. Die Zeugin schilderte mehrere Fälle, wo bereits zuvor die Polizei wegen Gewalttaten gerufen werden mussten. Die Verfahren wurden aber eingestellt, weil ihre Tochter die Strafanträge zurückgenommen hatte. Die Staatsanwältin versucht eine Erklärung: „Das ist Liebe.“ Da lag sie vermutlich falsch. Das meinte auch die Mutter: „Nein, sie hatte Angst!“ Wobei, ängstlich wirkte ihre Tochter nicht, sehr selbstbewusst und bestimmend trat sie als Zeugin auf.

Zur konkreten ersten Tat konnte die Zeugin auch etwas sagen. Sie war mit ihren Mann zu Hause, versuchte vergeblich, ihre Tochter anzurufen, erst auf dem Festnetz, dann auf dem Handy – erfolglos. Sie hatte ein ungutes Gefühl, setzte sich in die Straßenbahn und fuhr zur Tochter. Vor dem Haus standen schon ein Krankenwagen und die Polizei. Ihre Tochter wurde ins Krankenhaus gebracht. Von der Polizei wurde sie gebeten, sich um die Wohnung und die Kinder zu kümmern. Der Aleksandr L. kam zurück, war betrunken und beschimpfte sie, die Polizei nahm ihn mit.

Auch zur Bedrohung und Beleidigung bestätige die Zeugin die Anklage: „Während des Telefonats betitelte er mich auf Russisch mit Schimpfwörtern, die kann ich gar nicht übersetzen. Er beschimpfte mich als Schaf und drohte, mir den Bauch aufzuschlitzen!

Ihr Ehemann und ein Polizeibeamter wurden hereingerufen, als Zeugen wurden sie nicht mehr gebraucht, der Richter hatte sich seine Meinung gebildet. Er verlas dann den Beschluss des Amtsgerichts Erfurt gemäß Gewaltschutzgesetz und Auszüge aus dem Bundeszentralregister zum Angeklagten: Das hatte neun Eintragungen, darunter mehrere einschlägige Gewaltdelikte. 2007 wurde er wegen Körperverletzung zu 9 Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt, 2009 kam eine Freiheitsstrafe von 11 Monaten wegen Körperverletzung, Widerstand und Beleidigung hinzu, ohne Bewährung.

Der Angeklagte, seit 2001 in Deutschland, ist ALG-II-Empfänger, hat in Baku eine zehnklassige Schule absolviert, aber keine weitere Ausbildung. Hier war er nur kurzzeitig beschäftigt. Zurzeit arbeitet er, wenn er angefordert wird, für ein bis zwei Stunden die Woche. Auf die Frage des Richters, was er den ganzen Tag so mache, antwortete er lakonisch: „Nichts.

Dann plädierte Frau Oberstaatsanwältin Stahl: „Herr Vorsitzender, entschuldigen Sie bitte, dass ich meine Worte mehr an den Angeklagten richte, als an Sie: Ich habe zehn Jahre Anklagen vertreten, wo es um Tötungsdelikte ging. Das waren weniger Mörder, sondern solche Taten, wie sie hier geschildert wurden und dann eskaliert sind und das Schlimmste passiert ist!“ Sie appellierte an den Angeklagten, darüber nachzudenken, dass er sich dringend ändern müsse, besonders in seinem Verhältnis zu Frauen. Sie spricht wieder sehr laut: „Es ist vorhersehbar, wie sie in Konfliktsituationen handeln!“ Sie plädiert im ersten Fall auf fahrlässige Körperverletzung. Wieder sehr energisch: „Am liebsten würde ich gegen Sie eine Freiheitsstrafe beantragen, aber da denkt das Gericht: Die Alte ist senil!“ Letztlich beantragte sie eine Gesamtgeldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 10 Euro.

Der Richter verkündete kurz darauf sein Urteil: 150 Tagessätze zu je 15 Euro! Er sprach den Angeklagten direkt an: „Ich halte eine Ableistung in Arbeitsstunden für sinnvoll. Wenn Sie Post von der Staatsanwaltschaft bekommen, stellen Sie den Antrag auf Umwandlung der Geldstrafe in Arbeitsstunden. Sie müssen in Arbeit kommen! Das kann ein Beginn sein.

Jetzt kann man fragen, was macht ein Aserbaidschaner seit 2001 in Deutschland, warum ist er hier, warum arbeitet er nicht? Genauso gut  kann man das bei einheimischen Männern fragen, die Gewalttaten in der Familie begehen. Die Fälle, in den sich Männer aus Erfurt, Gera oder Nordhausen identisch verhalten, wie der Angeklagte, sind viel zu häufig. Leider ist diese Kriminalitätsform scheinbar international und hat nichts mit dem Herkunftsland zu tun. Sie hat etwas zu tun mit dem Verhältnis von Männern zu Frauen und zur Gewalt!

So ist es vom Gericht auch zu Recht behandelt wurden, die Fragen hatten mit der Tataufklärung nichts zu tun. Auch vorhandene Chancen ungenutzt verstreichen zu lassen, scheint ubiquitär.

Nach beidseitigem Rechtsmittelverzicht ist das Urteil rechtskräftig.

Um noch mal zum Anfang zurückzukehren: Ein beachtenswerter Versuch ausgewogener Gerichtsberichterstattung ist das auf ein Jahr angelegte  FOCUS-Spezial „Gerichtsreport“, welches zufällig zur gleichen Zeit wie mein „Gerichtsalltag“ startete. Die FOCUS-Journalisten stellen sich die Fragen: Wie sieht der Alltag in Deutschlands Justiz wirklich aus? Was läuft nicht rund? Wie geht es besser? Ein Tipp zum Nachlesen, auch online!

(16.07.2019 – 09:00 Uhr, Amtsgericht Erfurt, Saal 19)

A.S.