„Da war ich zu verstrahlt“

Der 36jährige Angeklagte Oliver J. aus Erfurt wird von zwei Justizbeamten vorgeführt. Er sitzt seit Anfang letzten Jahres in der Justizvollzugsanstalt Untermaßfeld eine Freiheitsstrafe wegen einer Serie von Diebstählen ab. Ihm werden jetzt zwei weitere Einbrüche zur Last gelegt, im Juristendeutsch: Besonders schwerer Diebstahl. Die Vorsitzende Richterin Inez Gloski verhandelte zwei Taten, einen Einbruchsdiebstahl in der Erfurter Kleingarten-Gaststätte „Am Melmhügel“ und einen weiteren Einbruchsdiebstahl in der Kindertagesstätte „Zwergenland“ in Hopfgarten. Kurz und knapp werden drei Zeugen gehört: Der Wirt, die stellvertretende KiTa-Chefin und der Niederlassungsleiter einer Tabak-Vertriebs-GmbH. Anfang bzw. Mitte November 2016 soll der Angeklagte nachts jeweils über die Fenster eingebrochen sein. In der Gaststätte hat er einen Sachschaden von 1.500 € verursacht, den Zigarettenautomat aufgebrochen und Waren sowie Bargeld im Wert von 384 € entwendet. In der KiTa war wohl nichts zu holen, er aß von einem im Kühlschrank stehenden Kuchenteller und nahm Nikolaus-Süßigkeiten mit, verursachte aber Sachschaden.

Amtsgericht Weimar, Bildrechte bei www.gerichtsalltag.de

Die Polizei sicherte an beiden Tatorten u.a. DNA-Spuren an charakteristischen Stellen, so an den aufgebrochenen Fenstern und am Kuchenteller. Diese erfolgreich ausgewerteten Spuren ergaben in der polizeilichen DNA-Analyse-Datei Treffer zum Angeklagten.

Frau Rechtsanwältin Linda Richter sprach für ihren Mandanten: „Ein klassisches Geständnis ist es nicht, da er sich nicht erinnert, es ist aber sein Einzugsgebiet und seine Begehungsweise, er räumt die Taten ein.

Die Richterin sprach den Angeklagten direkt an, was sein Einzugsgebiet sei. Oliver J., so angesprochen, nuschelte, ohne den Blick zu heben „Na so um Erfurt rum.“ Gefragt, ob er sich an die Taten in Erfurt und Hopfgarten erinnerte, sagte er, „Da war ich zu verstrahlt“. „Was heißt das?“ wollte die Richterin wissen. Oliver O.: „Naja, Drogen“. „Wie sind sie nach Hopfgarten gekommen?“ hakte die Richterin nach. „Vielleicht mit dem Fahrrad?“ antwortete er, mehr an Kommunikation kam nicht zu Stande. Offensichtlich reichte es der Vorsitzenden, sie verlas ein Urteil des Amtsgerichts Erfurt aus dem Sommer 2017.

So wurde sein „Einzugsgebiet“ deutlich: Er wurde wegen vier Einbrüchen in KiTas in Sömmerda, Taubach, Magdala und Marbach angeklagt. Dazu kam noch ein Firmeneinbruch in Gebesee und zwei Laubeneinbrüche in Gebesee und Riethnordhausen. Dabei immer die gleiche Begehungsweise: Aufbrechen eines Fensters, Eindringen und Durchsuchen der Räumlichkeiten nach Stehlbarem. Neben mehreren Hundert € Bargeld erbeutete er ein paar Kleinigkeiten. Das Amtsgericht Erfurt verurteilte ihn am 5. Juli 2017 zu zwei Jahren und sechs Monaten Freiheitsstrafe.

Zum Zeitpunkt des Urteils lagen die aktuell verhandelten Taten schon mehr als ein halbes Jahr zurück. Die Ergebnisse der DNA-Untersuchung lagen aber wohl noch nicht vor.

Nach 1 ½ Stunden Verhandlung war die Sachlage für alle Beteiligten klar, insbesondere durch die DNA-Treffer. Der seit seinem 16. Lebensjahr immer wieder einschlägig straffällig gewordene Angeklagte hatte insgesamt zehn Eintragungen im Strafregister, mehrfach hatte er bereits eingesessen. Mehrfach hat er auch unter Führungsaufsicht gestanden, hatte Bewährungshelfer. Auf Nachfrage durch den Staatsanwalt sagte er nur: „Bin dann nicht mehr hingegangen.

Der Staatsanwalt plädierte auf ein Jahr und sechs Monate Freiheitsstrafe. Da aber die beiden Taten „gesamtfreiheitsstraffähig“ seien, forderte er unter Berücksichtigung des Urteils des Amtsgerichts Erfurt von 2017 eine Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren. Die Verteidigerin forderte zwei Monate weniger. Das Gericht schloss sich dem Antrag des Staatsanwalts an. Zusätzlich wurden die Einziehung von 450 € als Wertersatz, einer Form der reformierten strafrechtlichen Vermögensabschöpfung, ausgesprochen. Er muss die Kosten des Verfahrens tragen. Nach zwei Stunden war die Verhandlung zu Ende.

Für die beiden Taten muss Oliver J. also zusätzlich weitere sechs Monate absitzen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Der Angeklagte war nach eigenen Angaben drogenabhängig, er nahm sowohl Crystal als auch Marihuana. Diesen Eindruck macht er vor Gericht nicht.  Seine diesbezüglichen kargen Worte klangen eher nach dem Hoffen auf eine mildere Strafe. Dies wurde deutlich, als er zu einer Suchttherapie gefragt wurde. „Hab ich beantragt“; „sind so Viele“ waren seine gleichmütigen Antworten. „Und der Anstaltsarzt?“ wollte der Staatsanwalt wissen. „Hab Schlaftabletten gekriegt“ erwiderte er schmallippig.

Der ledige Angeklagte, der nach seinem Hauptschulabschluss eine Maurerlehre abbrach, als Schäfer arbeitete, fristlos entlassen wurde und seit 2014 ohne Arbeit ist, wirkte desinteressiert. Nicht nur an der Gerichtsverhandlung – auch an seinem Leben.

Ob er je in der Lage sein wird, ein Leben ohne das Begehen von Straftaten zu führen, ist äußerst fragwürdig. Bisherige staatliche Maßnahmen griffen jedenfalls nicht. Hier scheint der Resozialisierungsgedanke an seine Grenzen zu stoßen. Ohne sein eigenes Zutun wird sich Nichts ändern. Das Gericht verzichtete auf ermahnende und auf das Positive gerichtete Worte – vermutlich, weil der eigene Glaube an die Wirksamkeit aufgrund der kriminellen Karriere des Oliver J. fehlte.

A.S.

(28.01.2019, 09:00 Uhr – Schöffengericht des Amtsgerichts Weimar, Schöffensaal)