Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht Heilbronn am 26. Februar 2019 wegen gemeinschaftlichen gewerbsmäßigen bandenmäßigen Betruges.
Heilbronn? Ja, denn hier, im fränkischen Unterland, wurde ein Fall mit Thüringer Bezügen verhandelt. Und – diese Bezüge haben eine hohe Aktualität.
Es handelt sich um sogenannten Telefontrickbetrug. Diese Betrugsform ist seit längerem bekannt. Man kann grob drei verschiedene „Maschen“ unterscheiden: „Falsche Polizisten“, „Gewinnspiel“ und „Enkeltrick“. Die Angeklagten benutzten hauptsächlich die Inkasso-Begehungsweise bei der „Gewinnspiel“- Variante. Sie telefonierten mit gesondert ausgewählten und listenmäßig erfassten älteren Menschen in der Bundesrepublik, gaben sich als Mitarbeiter einer Lottogesellschaft, eines Inkassobüros und Ähnliches aus und behaupteten, dass der oder die Angerufene bei den vor Jahren abgeschlossenen (erfundenen) Vertrag in Zahlungsrückstand geraten waren. Um ein Gerichtsverfahren in der Türkei abzuwenden, müsse man einen bestimmten Betrag in bar in die Türkei schicken.
In Erfurt wurden erst in dieser Woche drei männliche Tatverdächtige festgenommen. Sie waren als „Abholer“ bei der Betrugsmasche „falsche Polizisten“ in hunderten Fällen in Thüringen unterwegs.
Im Sitzungssaal 149 des Amtsgerichts Heilbronn (Baden-Württemberg) tagte das Jugendschöffengericht unter Vorsitz von Richterin Elke Woll. Angeklagt war die zur Tatzeit 20jährige Sarah S., ihr 23jähriger Freund Dominik W. sowie dessen 52jährige Mutter Cornelia Ba. Die Anklage vertrat Oberstaatsanwalt Jürgen Läpple, neben ihn nahm ein Vertreter der Jugendgerichtshilfe Platz. Die Verhandlung fand vor dem Jugendschöffengericht statt, weil Sarah S. zur Tatzeit als Heranwachsende galt. Dies hatte für die beiden erwachsenen Angeklagten einen Nebeneffekt: Der Strafrahmen für Freiheitsstrafen beträgt bei Amtsgerichten vier Jahre als Höchstgrenze.
Alle drei Angeklagten wurden in Handfesseln durch Justizbeamte aus verschiedenen Justizvollzugsanstalten zur Hauptverhandlung vorgeführt. Ihnen wurde vorgeworfen, sich gemeinschaftlich und gewerbsmäßig zu einer Bande zusammengeschlossen zu haben, um fortgesetzt Betrugshandlungen zu verüben. Die drei Angeklagten handelten „in der Absicht, sich eine Einnahmequelle ganz erheblichen Umfangs und von einiger Dauer zu erschließen, um davon ihren gesamten Lebensunterhalt zu bestreiten“, so der Staatsanwalt in seiner Anklage.
Die drei Angeklagten hielten sich spätestens seit Herbst 2016 in Antalya (Türkei) auf und waren bei der Firma ABG Group beschäftigt. Es handelt sich um ein sogenanntes Callcenter, gegründet und darauf ausgerichtet, Betrugs- und Erpressungshandlungen durchzuführen. Routiniert verlas der Staatsanwalt in der ersten Anklage insgesamt acht einzelne Taten vom Herbst 2017. Geschädigt war ein und derselbe ältere Herr Ewald P. – er wurde innerhalb von zwei Wochen mit unterschiedlichen Begehungsweisen unter Druck gesetzt und telefonisch bedroht. Dabei spielten die Betrüger verschiedene Rollen nach einem Leitfaden, der vorgibt, in welchen Fällen mit welcher konkreten Masche betrogen werden sollte. Druck wurde ausgeübt, indem nach dem ersten Gespräch eine „Staatsanwältin Dr. Ebert“ anrief und mit harten Strafen drohte. Der nächste Anruf kam von der vermeintlich eigenen Bank. Es wurde gedroht, dass die Konten gesperrt würden, wenn man die angeblich offenen Forderungen nicht begleichen würde. Letztlich hob der Geschädigte bei seiner Bank mehrfach Bargeld, jeweils mehrere tausend Euro, ab, und schickte es mit internationalem Brief in die Türkei.
Telefontrickbetrug – schon die Bezeichnung ist verharmlosend – zeigt sie doch nicht die vielen Facetten dieser von skrupelloser Gewinnsucht geprägten Kriminalität. Das perfide an dieser Betrugsmasche: Wenn die Betrüger auf ein leichtgläubiges Opfer treffen, kennen sie keine Gnade. Zuerst wird die Inkasso-Masche geritten, erfolgreich. Dann wechselt man und gibt vor, dass der Angerufene tatsächlich gewonnen hat; einen hohen 6stelligen Betrag. Dafür müsse aber zuerst eine Gebühr entrichtet werden. Immer einhergehend mit kurz nacheinander eingehenden Telefonaten von unterschiedlichen Personen mit einer eskalierenden Geschichte. Wenn nichts mehr herauszupressen ist, werden die Opferdaten weiter verkauft.
Vor dem Amtsgericht Heilbronn wurde eine Perspektive deutlich, die sonst verborgen bleibt, die Perspektive der Opfer. Der in der ersten Anklage geschädigte ältere Herr hat nach der letzten Tat einen Herzinfarkt erlitten, an deren Folge er wenige Wochen später verstarb.
Die emotionale Komplexität ist nur zu erahnen, welche die Opfer erleiden: Schuldgefühle, Scham, Angst, Wut, Gewissensbisse…. Einher geht der Vertrauensverlust zu den vertrauten Instanzen, zurück bleibt Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit, der materielle Schaden ist oft immens, nicht selten werden die Opfer wortwörtlich um das Letzte betrogen.
Sarah S. wurde in einer zweiten Anklage vorgeworfen, versucht zu haben, ein 80- und 81jähriges Ehepaar aus dem Landkreis Weimarer Land um 2.740 € erpresst zu haben – der erste Thüringer Bezug.
Sie hatte angerufen und vortäuschend behauptet, sie hätten an einem Glücksspiel teilgenommen, die monatlichen Zahlungen seien aber unterblieben. Wenn die Forderung nicht am gleichen Tag beglichen würde, müsste man das Konto sperren lassen. Anschließend rief „Frau Specht“, eine angebliche Mitarbeiterin der Hausbank des Ehepaares, an und drohte, das Konto würde gesperrt, wenn die Zahlung nicht erfolgte. So massiv und nicht ungeschickt unter Druck gesetzt, wurde der Brief mit dem Bargeld wie gefordert an eine Adresse in der Türkei versandt.
Den Opfern kamen dann doch erhebliche Zweifel, sie verständigten umgehend die Polizei in Weimar. Der Brief konnte noch im Briefzentrum Erfurt sichergestellt werden, sie erhielten ihr Geld zurück.
Nach Verlesen der Anklagen fragte die Richterin, ob die Angeklagten Aussagen machen wollten. Sarah S. wurde durch Rechtsanwältin Haberzettl-Prach vertreten, sie sagte zu, dass ihre Mandantin Aussagen zur Sache machen wolle, sie hatte ja schon in der polizeilichen Vernehmung ein Geständnis abgelegt. Der Anwalt von Dominik W. schloss sich an.
Rechtsanwalt Rainer Spaeth, der Verteidiger von Cornelia Ba., bat das Gericht um ein Rechtsgespräch gemäß § 257 c StPO. Daraufhin die Richterin: „Was wollen Sie anbieten?“. Der Rechtsanwalt, etwas verlegen „Das will ich ja im Rechtsgespräch besprechen, ich dachte, wir unterbrechen und ziehen uns zurück?“. Davon wollte die Richterin nichts wissen: „Das können wir gleich hier und jetzt machen!“ Der Verteidiger darauf: „Das kenne ich anders.“ Oberstaatsanwalt Läpple gab ihn gleich mit auf den Weg: „Ich bin ja nicht der Sachbearbeiter, sondern nur der Sitzungsvertreter. Ich muss Ihnen ehrlich sagen, ich hätte das nicht vor dem Amtsgericht angeklagt. Eigentlich hatte ich vor, dass Verfahren gegen Frau Ba. abzutrennen und vor dem Landgericht anzuklagen.“
Das hätte er tun sollen, tat es aber aus unerklärlichen Gründen nicht. Mit fatalen Folgen: Damit war der „auszuhandelnde“ Strafrahmen für Frau Ba. auf maximal 4 Jahre Freiheitsstrafe begrenzt. Das Gesetz sieht gemäß § 263 Absatz 5 StGB aber einen Strafrahmen von einem bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe vor.
Richterin Woll weiter: „Wenn es zu einer Einigung kommen sollte, muss das Geständnis schon alle Taten der Anklage umfassen.“ Der Verteidiger lavierte: „Die Taten der Angeklagten muss man differenziert sehen, nicht immer fällt der Name Ba.“ Darauf ging die Richterin nicht ein: „Immerhin ist Frau Ba. bereits mehrfach vorbestraft, und wenn es bei den Geständnissen von W. und S. bleibt, ist auch die Beweislage sicher!“ Die beiden Verteidiger gaben durch Kopfnicken zu verstehen, dass ihre Mandanten bei den Geständnissen bleiben.
Nach der kurzen Sitzungspause diskutierte Richterin Woll dann mit dem Verteidiger und dem Staatsanwalt über die mögliche Höhe der Freiheitsstrafe gegen Frau Cornelia Ba. Man wurde sich schnell einig: Mindestens drei Jahre Freiheitsstrafe, höchstens drei Jahre und sechs Monate! Verteidiger und Mandantin zogen sich kurz beratend zurück und erklärten (natürlich!) ihr Einverständnis.
Die Verhandlung wurde fortgesetzt, Sarah S. und Dominik W. wurden vernommen, beide räumten die Taten, wie angeklagt, ein. Zuerst ging Sarah S. auf die angeklagten Punkte ein und berichtet: Sie stammt aus Herne, ist dort mit acht weiteren Geschwistern bzw. Halbgeschwistern bei der Mutter und deren wechselnden Lebenspartnern aufgewachsen. Ihren leiblichen Vater hat sie erst zu ihrem 18. Geburtstag kennengelernt. Seit dem 21.9.2012 lebte sie in verschiedenen Wohngruppen. An diesem Tag sagte ihr Stiefvater, ihre Mutter sei ausgezogen und wohnt bei einer Freundin, weil sie „Abstand braucht“. Erst vier Wochen später hat sie erfahren, dass er ihre Mutter an diesem Tag erstochen hatte. Für diese Tat erhielt er 13 Jahre Freiheitsstrafe. Auch ist rausgekommen, dass sie und ihre Schwester im Kindesalter von ihrem Stiefvater vielfach sexuell missbraucht wurden.
Wie Sarah S. weiter berichtete, hat sie 2015 einen Realschulabschluss gemacht und dann am Berufskolleg eine Ausbildung zur Kindergärtnerin begonnen, die sie aber nach wenigen Wochen abgebrochen hat. „Eigentliche wollte ich diesen Beruf, aber dann waren überall Kinder, in der Wohngruppe, in der Ausbildung, das wurde mir zu viel….“ Nach einem Ausbildungsvorbereitungsjahr verliebte sie sich in den Dominik W., sie kannten sich bereits aus der Schule. Beide entschieden sich, am 06.07.2016 in der Türkei ein neues Leben anzufangen, weil sie es in Deutschland „nicht in den Griff kriegten“.
Dominik W. ist der leibliche Sohn der Mitangeklagten Cornelia Ba., er wuchs in Herne auf, die Eltern lebten getrennt, seine Mutter war insgesamt viermal verheiratet, in seiner Kindheit zog die Familie mehrfach um. Als er vier Jahre alt war, zog die Mutter mit den Kindern nach Bad Salzungen, ihren Geburtsort. Dort gab es immer wieder Stress wegen Alkohol. Er kam ins Kinderheim. Ein zwischenzeitlicher Ehemann seiner Mutter, wohl türkischstämmig, holte ihn auf Veranlassung des Jugendamtes aus dem Kinderheim, die Familie zog nach Erfurt. Dort besuchte er die Grundschule. Als er 13 oder 14 Jahre alt war, verließ ihn die Mutter. Sie hatte im Internet einen Mann in der Türkei kennengelernt, holte sich ein Flugticket und verschwand. Die Kinder ließ sie in Erfurt zurück. Sein leiblicher Vater holte ihn zu sich, er ging wieder in Herne in die Schule, machte seinen Realschulabschluss. Die anschließende Lackierer-Ausbildung beendete er, bestand aber die theoretische Prüfung nicht. Bis zum 18. Lebensjahr lebte er bei der Großmutter väterlicherseits. Nach über zehn Jahren hat er dann wieder Kontakt zu seiner Mutter aufgenommen. Dies endete damit, dass er zusammen mit seiner Freundin in die Türkei flog, um dort zu leben. Die Richterin fragte nach: „Um mit der Mutter wieder Kontakt aufzunehmen, hätte auch ein Urlaub gereicht!“ Er gab, betrübt, eine kurze Antwort: „Ja.“
Beide schilderten ihr Leben in der Türkei. Sarah S. hatte geglaubt, sie könnte dort von ihrer Halbwaisenrente aus Deutschland leben, das hat aber nicht geklappt. Dominik W. hat die ersten 14 Tage auf den Bau gearbeitet. „Zwölf Stunden bei großer Hitze auf den Bau arbeiten, für sieben Euro am Tag, das ging nicht.“
Sie wussten, dass seine Mutter in einem Callcenter arbeitet. Sie wussten auch, was sie dort machte, denn teilweise hat sie auch von zu Hause telefoniert. Da beide nichts zum Lebensunterhalt beitrugen, hat Cornelia Ba. erst ihren Sohn und dann dessen Freundin genötigt, mitzumachen. Das ging bei Dominik nicht, er konnte es nicht, er wollte es auch nicht. Nach vierzehn Tagen hat er aufgegeben. Er gab aber seinen Namen und die gemeinsame Anschrift als Zieladresse für die Briefe mit dem ergaunerten Geld her: Beihilfe! Sarah S. musste dann ran. Sie hatte schon mehr Talent dazu und weniger Skrupel, zumal sie ja unter Druck gesetzt wurde. Beide hielten sich illegal in der Türkei auf, hatten weder Aufenthalts- noch Arbeitserlaubnis.
Frau Cornelia Ba. wurde 1967 in Bad Salzungen geboren, ging dort zur Schule und absolvierte eine Lehre als Forstwirt – ein weiterer Thüringer Bezug. Bis zur Maueröffnung war sie im Forst tätig, arbeitete dann als Fleischverkäuferin in Frankfurt am Main, 1993 ging sie nach Herne. Nach verschiedenen Stationen in Bad Salzungen und Erfurt flog sie 2008 oder 2009 in die Türkei und heiratete dort in einer Moschee ihren vierten Ehemann. Sie ließ ihre Kinder in Erfurt zurück, weil sie „nicht mehr mit der Familie und den Kindern zurechtgekommen war.“ Ihre 7jährige Tochter aus dieser Verbindung ist nach ihrer Verhaftung 2017 in der Türkei beim Kindesvater zurück geblieben.
Sarah S. schildert dann zur Sache aus ihrer Sicht: Seit 2005 ist sie mit Dominik zusammen, seit 2006 verlobt, sie sind 2016 zusammen in die Türkei geflogen, um einen Neuanfang zu machen. Dominiks Mutter hatte versprochen, sie könne in einem Callcenter arbeiten, um Kosmetikartikel zu verkaufen. Tatsächlich hat sie sich der AGB Group angeschlossen und im Callcenter die Rollen „Inkasso“ und „Staatsanwältin“ gehabt. Sie wusste da bereits, das die Cornelia Ba. auch dort arbeitet, der Chef war ein Türke, A. Göt., bei dem sie auch auf Vermittlung der Ba. ein Vorstellungsgespräch hatte. Sarah S. wurde eingewiesen und eingearbeitet, bekam den „Leitfaden“ und hat dann den ganzen Tag telefoniert. Dafür bekam sie eine prozentuale Beteiligung, welche Frau Ba. kassierte und damit den Lebensunterhalt finanzierte, alle wohnten zusammen in einer Wohnung.
Sie hat über ein Jahr im Callcenter gearbeitet, bis zum 27. August 2018. Da hatte sich Frau Ba. mit ihrem „Mann“ gestritten. Die Polizei kam. Es stellte sich heraus, dass auch Cornelia Ba. weder eine Aufenthalts- noch Arbeitserlaubnis hatte. Sie wurde festgenommen und nach Deutschland abgeschoben. Dabei stellte die türkische Polizei auch fest, dass Sarah S. und Dominik W. sich illegal in der Türkei aufhielten. Sie wurden aufgefordert, die Türkei zu verlassen, ansonsten drohe eine hohe Geldstrafe und fünf Jahre Haft.
Zwischenzeitlich gab es in Deutschland gegen alle drei staatsanwaltliche Ermittlungsverfahren und Haftbefehle. Die Festnahme von Cornelia Ba. erfolgte am 10. September 2018 nach ihrer Ankunft auf dem Flugplatz Erfurt-Weimar. Sarah S. und Dominik W. reisten beide einige Tage später aus der Türkei aus und wurden am Flughafen in Nürnberg von der Bundespolizei festgenommen.
Cornelia Ba. schilderte ihre Tätigkeit im Callcenter, wobei jedoch keine neuen Erkenntnisse gewonnen werden konnten. Der Chef des Callcenters hat 50 bis 60 % des Gewinns bekommen, es gab noch mehrere Mitarbeiter in diesem Center, sie sprachen gut Deutsch, waren entweder aus Deutschland oder lebten früher dort. Die Opfer wohnten alle in Deutschland, jeder Mitarbeiter hatte einen Laptop, in Excel-Listen standen die Namen und Telefonnummern, zum Teil auch die Bankverbindungen. Sie hat pro „Auftrag“ 12,5 Prozent vom Gewinn bekommen, den Rest hat der Chef Göt. behalten. Der hat, wie die anderen Chefs der vielen Callcenter in Antalya, „fett“ und „in Saus und Braus“ gelebt, „große Häuser und dicke Autos“ gehabt.
Nach diesen Schilderungen verzichtet das Gericht auf die Befragung der geladenen Zeugen. Nur der ermittelnde Kriminalbeamte, Kriminalhauptkommissar R., wurde vernommen. Er schilderte den Gang des Verfahren, die zur Identifizierung der Angeklagten führenden Recherchen und stellte dar, dass es sich nur um einen kleinen Ausschnitt der Taten handelte und das der in der Türkei lebende Alpaslan Göt. der Haupttäter sei. Daraufhin die Richterin: „Gibt es irgendjemand bei den Ermittlungsbehörden, die sich dem Kopf der Bande angenommen haben?“ Der Staatsanwalt schaute auf seine Papiere und reagiert nicht weiter, der Kriminalbeamte antwortete: „Das sind ja internationale Ermittlungen ….“ worauf die Richterin sachlich reagiert: „Dafür gibt es ja internationale Haftbefehle. Es müsste nur jemand machen. Das wäre doch ein lohnendes Ziel!“ Hauptkommissar R.: „Ja, da haben Sie Recht!“
Oberstaatsanwalt Läpple plädiert kurz, knapp und doch überraschend: Er forderte für Frau Ba. drei Jahre Freiheitsstrafe. Er blieb dabei an der untersten Grenze der Einigung. Seine Rechnung war abenteuerlich: acht Taten mit jeweils einer Mindeststrafe von einem Jahr ergibt, „extrem zusammengefasst, drei Jahre“. Wer da auf acht Jahre kommt, hat addiert, „Zusammenfassen“ scheint etwas anderes zu sein. Für Sarah S. und Dominik W. forderte er ein Jahr und fünf Monate Freiheitsstrafe, welche zur Bewährung ausgesetzt werden sollten. Als Schaden wurde eine Gesamthöhe von 10.000 € angenommen, für die die drei Angeklagten gesamtschuldnerisch haften müssen.
Rechtsanwältin Tanja Haberzettl-Prach schloss sich dem Plädoyer der Staatsanwaltschaft an, resümierte aber sehr persönlich. „Als ich im Freundes- und Bekanntenkreis nach dem Staatsexamen sagte, ich will Strafverteidigerin werden, sagten Einige ‚Da willst Du wohl auf „schwere Kindheit“ verteidigen?‘ Das Hier gehörte, ist wirklich eine schwierige Kindheit gewesen.“ Zuvor hatte bereits der Vertreter der Jugendgerichtshilfe eindrücklich auf die Situation des Aufwachsens, des vielfachen Missbrauchs an ihr und des Tötungsdelikts an ihrer Mutter hingewiesen.
Das Gericht entsprach den Strafanträgen der Staatsanwaltschaft. Die Urteile sind rechtskräftig.
Eher nebenbei sagte die Richterin, dass ja auf die Angeklagten noch weitere Verfahren zu kämen. Verteidiger Spaeth wusste von Verfahren gegen seine Mandantin in Chemnitz und Lübeck.
Es bleibt zu hoffen, dass der Informationsaustausch der Polizeien der Bundesländer gut funktioniert, denn Cornelia Ba. hat über die Jahre sicherlich einen extrem hohen Schaden in Tausenden von Fällen verursacht: In den Callcenter wird „gearbeitet“, wie an normalen Arbeitsplätzen auch, man ist von morgens bis abends dort tätig, hat Kolleginnen und Kollegen, macht Pausen, wird nach Erfolg bezahlt und erpresst und betrügt eine Vielzahl von Opfern mit den hier nur ansatzweise beschriebenen Folgen. Das darf nicht ohne weitere Konsequenzen bleiben.
(27.02.2019 – 09:00 Uhr, Jugendschöffengericht am Amtsgericht Heilbronn, Sitzungssaal 149)
A.S.