Das Schöffengericht am Amtsgericht Arnstadt befasste sich unter dem Vorsitz von Richter Thomas Jenke mit einem Fall vom 1. Juni 2017. Rechtsanwalt Silvio Amarell wurde dem 38jährigen Ewald A. als Pflichtverteidiger beigestellt. Staatsanwältin Katrin König vertrat die Anklage. Dem verheirateten Vater dreier Kinder wurde vorgeworfen, unerlaubt im Besitz von verbotenen Waffen zu sein, darüber hinaus hat er in nicht geringen Mengen Betäubungsmittel konsumiert und mit Betäubungsmitteln gehandelt. Das klingt sehr massiv, bei genauerer Betrachtung kommt ein differenziertes Bild zutage: Der Angeklagte hatte sich mit seiner Ehefrau gestritten, zu dieser Zeit lebten sie nach seinen Angaben in einer familiären Krise. Die Schwägerin rief wegen des Familienstreits die Polizei.
Wie der einzige Zeuge der Verhandlung, ein Polizeiobermeister, schilderte, hatte er den Eindruck, dass Ewald A. dabei unter Drogeneinfluss stand. Es wurde mit seinem Einverständnis ein Drogenschnelltest durchgeführt – positiv. Auf Nachfrage gab er zu, Drogen konsumiert zu haben. Auch habe er zu Hause noch welche. Die Polizei führte daraufhin einen Durchsuchung „Gefahr im Verzuge“ in seinen Wohnräumen durch. Während der Durchsuchung übergab der Angeklagte der Polizei insgesamt vier Behältnisse, in welchen sich wiederrum in verschiedenen Verpackungen („wegen des Geruchs“) Marihuana befand. Es wurden insgesamt 123 g Marihuana und eine Kleinstmenge Crystal sichergestellt.
Darüber hinaus stellte die Polizei ein Luftdruckgewehr mit Zielfernrohr und einen Schlagring sicher. Das Gewehr ist eine erlaubnispflichtige Waffe, eine Erlaubnis hatte der Angeklagte nicht. Ein Schlagring ist eine verbotene Waffe, die der Einziehung unterliegt – beides Straftaten nach dem Waffengesetz. Die Polizei stellte auch einen Bargeldbetrag in Höhe von 859 € sicher. Der Polizeiobermeister sagte in seiner Zeugenaussage weiter: „Der Herr A. hat gleich vor Ort Angaben gemacht, ich habe mit ihm eine Beschuldigtenvernehmung durchgeführt.“ Richter Jenke fragte nach: „Der Angeklagte hat Ihnen die BtM übergeben?“ Der Polizeibeamte bejahte dies, was den Richter zu der Aussage verleitete: „Da haben sie das der Wahrheitsliebe des Angeklagten zu verdanken!“. Der Angeklagte darauf: „Ja, so war das damals.“
Der Angeklagte war geständig, im weiteren Verlauf der Verhandlung ging es um die geplante Verwendung der Betäubungsmittel. Der Angeklagte gab ab, dass er den größten Teil zum Eigenkonsum vorgesehen hatte, nur einen kleineren Teil zum Weiterverkauf, um seine Drogen zu finanzieren. Mit einem vorsichtigen Lächeln sagte er: „Der größte Teil war für mich, da bin ich zu geizig gewesen.“ Nach Ansicht des Gerichts sprach die Art und Weise der Verpackung für diese Erklärung, auch die Staatsanwältin schloss sich dieser Meinung an. Gewissheit erhoffte sich das Gericht darüber durch die Zeugenaussage des Polizeibeamten, denn er war vor Ort und hätte die Auffinde-situation und die Verpackungsart der BtM schildern können. Dies war ihm leider nicht möglich: „Da verweise ich auf die Lichtbildmappe.“ Da war Richter Jenke auch schon drauf gekommen, leider fehlten Lichtbilder vom Durchsuchungsort in der Akte. Der Polizeibeamte konnte sich das nicht erklären. Zwei Beamte hatten durchsucht, eine weitere Beamtin hatte die fotografische Sicherung übernommen, er selbst hat die Vernehmung durchgeführt und den Ermittlungsbericht geschrieben. Erklären könne er sich das Fehlen nicht. Das Fehlen dieser Lichtbildmappe kostete dem Gericht rund eine halbe Stunde umständliche Befragungen. Im Ergebnis glaubte man dem Angeklagten.
Der zweite geladene Polizeibeamte war nicht erschienen. Sein Kollege: „Der hat Urlaub.“ Der Vorsitzende sah es locker: „Da hat man wohl versäumt, ihn zu verständigen.“
Ewald A. machte einen ruhigen und sachlichen Eindruck, er wirkte einsichtig. Besonders wenn die Sprache auf seine Familie kam. Er gab an, keine Drogen mehr zu nehmen. Dies habe er ohne fremde Hilfe geschafft. Seine Frau, welche einen medizinischen Beruf habe, hat ihn dabei unterstützt. Die Familienkrise ist überwunden, er lebt mit seiner Frau und den drei Kindern zusammen. Zurzeit bezieht er ALG-I-Geld, ist aber in einer Qualifizierung als Telekommunikationstechniker. Nach erfolgreich abgeschlossener Ausbildung erhält er einen Arbeitsvertrag.
Richter Jenke, sehr kommunikativ und in einer freundlichen Grundstimmung, führt routiniert den Wiege- und Testbericht zu den Betäubungsmitteln und das entsprechende Gutachten des Landeskriminalamtes in die Verhandlung ein. Dabei beschränkt er sich auf die notwendigen und wichtigen Fakten. „Auf das Verlesen, was Cannabis ist, können wir, glaube ich, verzichten!“
Der Angeklagte erklärte sich mit der formlosen Einziehung der BtM und der beiden Waffen einverstanden. Eine kurze Diskussion gab es über das sichergestellte Bargeld. Er gab an, dass nur die 359 € aus dem Drogenverkauf kamen, zu den 500 € hatte er eine plausible Erklärung, sodass nur der kleinere Betrag ebenfalls eingezogen wurde.
Der Bundeszentralregisterauszug wurde verlesen, Ewald A. hat bereits eine Eintragung. Da diese vorsätzliche Sachbeschädigung nach Meinung des Gerichts gesamtstrafenfähig war, wurde das entsprechende Urteil verlesen: Während eines (anderen) Familienstreits hatte der Angeklagte zwei Türen beschädigt. Der Vermieter, eine Wohnungsbaugesellschaft, hatte Anzeige erstattet. Er wurde verwarnt und eine Geldstrafe zur Bewährung ausgesetzt (Verwarnung mit Strafvorbehalt).
Staatsanwältin König plädierte schnörkellos, knapp und präzise. Sie forderte eine Gesamtstrafenbildung von einem Jahr, drei Monaten und 15 Tagen Freiheitsstrafe, die für drei Jahre zur Bewährung auszusetzen wäre.
Die Verteidigung hielt eine zur 2jährigen Bewährung ausgesetzende Freiheitsstrafe von sechs Monaten und zwei Wochen für tat- und schuldangemessen. Dem Angeklagten müsse das für BtM-Konsumenten atypische Verhalten, insbesondere das lückenlose Geständnis, strafmildern zugerechnet werden. Besonders hob Rechtsanwalt Amarell das „schon an Selbstüberführung grenzende Handeln des Angeklagten vor Ort“ hervor.
Herr Ewald A. wurde zu einer Freiheitsstrafe von 10 Monaten, welche zur Bewährung ausgesetzt wurde, verurteilt. Die Bewährungszeit beträgt zwei Jahre. Mit Bewährungsbeschluss wurde er verpflichtet, 50 Stunden gemeinnützige Arbeit abzuleisten und monatlich an einer ambulanten Suchtberatung teilzunehmen. Für diese Straftaten ist im Normalfall eine Mindeststrafe von einem Jahre Freiheitsstrafe vorgesehen. Das Gericht ging, wie von der Staatsanwaltschaft und dem Verteidiger gefordert, von einem minderschweren Fall aus.
Das Urteil ist rechtkräftig, da Angeklagter und Staatsanwältin Rechtsmittelverzicht erklärten. Das zeigt, dass beide Seiten mit dem Urteil zufrieden waren.
Der Beobachter fand die in einer ruhigen und sachlichen Atmosphäre ablaufende Verhandlung sehr effektiv, wirkungsvoll und im Urteil gerecht. Dies war auch den drei handelnden Akteuren zu danken: Rechtsanwalt Amarell war stets auf der Höhe der Zeit, frisch und unverkrampft. Er gab hin und wieder, zurückhaltend und lächelnd, einen juristischen Tipp, welcher gern aufgenommen wurde. Staatsanwältin Katrin König beschränkte sich auf das Wesentliche. Richter Jenke gab in klarer verständlicher Sprache unscheinbar die Richtung vor und sorgte durch den angenehmen Ton der Verhandlungsführung für ein ausgeglichenes und freundliches Klima.
Selbst der Angeklagte wurde während der Verhandlung lockerer und sagte auch ein paar abschließende Worte, die aber mehr mit seiner persönlichen Zukunft zu tun hatten und auf die Familie fokussiert waren. Der Vorsitzende gab ihm abschließend mit auf dem Weg: „Ich drücke Ihnen die Daumen, dass Alles gut geht!“. Das klang und war ehrlich gemeint, obwohl es niedergeschrieben floskelhaft wirkt.
Leider wurde der Besitz des Luftdruckgewehrs und des Schlagrings nicht thematisiert. Besonders wäre das Motiv für den Besitz des Schlagrings interessant…
(20.02.2019 – 13:30 Uhr, Schöffengericht am Amtsgericht Arnstadt, großer Verhandlungssaal)
A.S.